Einheitliche Schreibweisen und Stilvorgaben zeigen die Professionalität einer Publikation. Verlage führen dafür ein Handbuch mit den wichtigsten Regeln. Ihr Redaktionsteam braucht das auch.
Manche Redaktionen stecken alles in Anführungszeichen, was für deutsche Ohren fremder klingt als Jägerschnitzel. Nicht nur die eigenwillig benannte Tech-Firma, auch jede politische Partei aus dem Ausland findet sich eingesperrt zwischen Gänsefüßchen. Traditionsmarken und einheimische Parteien haben im Satz dagegen Auslauf. Die Logik dahinter? Für Leserinnen und Leser nicht erkennbar.
Gäste im Vokabular werden auch anders begrüßt. Bewährt hat sich, im Original belassene fremdsprachliche Ausdrücke kursiv zu setzen. Schließlich sollen Leser das tag, das ein Sprayer an der Wand hinterlässt, um „Hey, ich bin’s!“ zu sagen, nicht mit dem „Guten Tag!“ verwechseln.
Aber das Gestaltungsmittel kann beim Lesen verwirrend wirken, wenn Kursivschrift innerhalb derselben Publikation noch zu weiteren Zwecken dient, etwa zur Hervorhebung wichtiger Begriffe oder zur Markierung von Medien- und Werktiteln. Dass ein Text an vielen Stellen nach rechts kippt, mag obendrein der Art-Direktion schräg erscheinen.
Hausordnung für Texte
Damit bei solchen Details keine Willkür herrscht, sorgt in Verlagen ein redaktioneller Leitfaden für Ordnung. Zum Beispiel als Grundlage für die Qualitätskontrolle durch die Schlussredaktion. Das kann ein Verzeichnis von Hausschreibweisen sein mit Anweisungen für Wechselfälle der Sprache, die nicht im „Duden“ oder in einem ähnlichen Wörterbuch stehen. Oft trifft ein solches Regelwerk auch dort Entscheidungen, wo die 2006er-Reform bei der Rechtschreibung eine Wahl lässt.
Oder der Leitfaden ist ein kompletter Styleguide, eingedeutscht als Stilbuch bekannt, in dem auch Grafikerinnen und Grafiker Vorgaben für Fragen der Gestaltung finden. Klar, welche Begriffe durch Anführungsstriche optisch auszuzeichnen sind, lässt sich darin ebenfalls nachlesen.
Und noch mehr: Hier ist das Handbuch ergänzt um journalistische Leitlinien, auf die sich ein Verlag verpflichtet. Dort prangt im Anhang eine „schwarze Liste“ – ein Index mit Floskeln und umgangssprachlichen Ausdrücken, deren Verwendung eine stilsichere Redaktion untersagt.
Stilrichtlinien für Gründer
Es passt also einiges in einen redaktionellen Leitfaden. Nur wo fangen Sie bei Ihrem an? Am besten bei der Praxis: Welche Abstimmungsprobleme tauchen in jeder Produktion auf, was missfällt am Produkt, wo könnten Ihrem Team klare Regeln weiterhelfen? Wenn Sie vor der Gründung stehen und noch nicht wissen, was auf Sie zukommt – ich führe eine Liste mit typischen Anwendungsfällen.
Bei komplexen Veröffentlichungen wie einer Publikumszeitschrift oder einem Sachbuch wird die Aufzählung lang. Sie beginnt bei Abkürzungen und Akronymen, führt über die Darstellung von Internetadressen und endet nicht bei der Gliederung mehrstelliger Ziffern.
Anwendungsfälle für einen redaktionellen Leitfaden
Magazine oder aufwendig gelayoutete Sachbücher fordern viele Gestaltungs- oder Schreibregeln. Dies ist eine kleine Auswahl typischer Anwendungsfälle, die Sie in einem Leitfaden behandeln könnten. Weitere Beispiele finden Sie auf einer Unterseite dieses Artikels. Wenn es in Ihrer Publikation anderes zu regeln gibt, können wir gern darüber sprechen.
- Abkürzungen und Akronyme
- Bildunterschriften
- Firmen- und Produktnamen
- Fotocredits und andere Urhebernachweise
- Fremdwörter, eingedeutschte sowie im Original belassene
- Gendersensible Sprache
- Gliederung von Ziffern
- Infokästen
- Internetadressen (URLs)
- Literatur- und Quellenangaben
- Medien- und Zeitschriftentitel
- Transkription arabischer oder russischer Namen
- Wörtliche Zitate
- Zahlen und Jahrzehnte
- Zeichensetzung in Titeln, Teasern und Vorspannen
Praxisnahes Handbuch
Ein Beispiel ist die Aufmachung von Service-Informationen. Eine Konzertkritik mag noch so interessant geschrieben sein, auch im Veranstaltungshinweis darunter zeigt sich, wie eine Redaktion tickt. Wo sich Namen, Zahlen, Daten dicht drängen, beweist Standardisierung: Hier sind Profis am Werk.
Außerdem spart Vereinheitlichung Platz und damit Arbeitszeit: Der Grafiker, der wegen eines überlangen Infotextes zur Rezension das Layout der ganzen Seite umbauen muss, wäre dankbar dafür. Ebenso freut sich die Redakteurin, die andernfalls den Artikel noch mal zu kürzen hat.
Zeit spart ein redaktioneller Leitfaden auch anderer Stelle: wenn Sie Mitarbeitende, die frisch zum Team gestoßen sind, in ihre Aufgaben einweisen müssen. Dann können Sie den neuen Kolleginnen und Kollegen ein praxisnahes Nachschlagewerk in die Hand geben. Die Einführung ins Content-Management- oder Redaktionssystem ist aufwendig genug. Manche Verlage und Institutionen händigen ihre Stilrichtlinien in übersichtlicher Form außerdem externen Autorinnen oder Übersetzern aus.
Dienstleistung mit System
Der Redaktionsleitfaden ist nicht zuletzt eine Dienstleistung für Ihr Publikum. Gerade wenn sich potenziell Unbekanntes im Text ballt, hilft bereits eine gut durchdachte Systematik in der Auszeichnung von Eigennamen, Fremdwörtern und Medientiteln beim Verständnis. Sie erleichtert das Ein- und Zuordnen von Information. Und regelmäßige Leserinnen und Leser erkennen die Muster konsequent ausgeführter Stilrichtlinien wieder.
So wird Qualität, die bis ins Detail geht, zur Treueprämie.
Ich berate Sie und Ihre Redaktion bei der Konzeption eines Leitfadens oder Stilbuchs. Das Verfassen der Regeln übernehme ich auf Wunsch ebenfalls. Sinnvoll kann dies sein, wenn ich als Mitarbeiter in Ihre Entwicklung oder Produktion einbezogen bin. Mehr dazu lesen Sie in meinem Angebot.
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